BWB – ein Vereinsmodell der besonderen Art

Der Gründer des Novesia Cups hat schon oft, quasi gebetsmühlenhaft die Neusser Fußballverhältnisse skizziert. Allseits bekannt ist das Fehlen eines Ankervereins, der wie früher der VFR Neuss zu Regionalligazeiten die Talente bündelte und an die Bundesliga heranführte. Der Autor kennt die damaligen Verhältnisse aus eigener Anschauung und Praxis noch recht gut. Wie viele bekannte Fußballspieler haben zunächst die Neusser Fußballschule durchlaufen, um dann in der Bundeliga, zumeist in der Region, zu hohen Ehren zu kommen. Man denke an Günter Thiele, Hans Günther Neues, Heinz Mostert, Friedhelm und Wolfgang Funkel, Rolf Grünter, Willi Marzok und Robert Begerau. Auch Markus Hausweiler hatte einmal klein in der Stadtauswahl Neuss angefangen. Und keiner dachte an eine Profikarriere als der Gründer des Cups, der damalige Stadtauswahltrainer, ihn erstmals für ein Spiel gegen Antwerpen aufgestellt hatte.

Eine ähnliche Situation wie in Neuss fanden die Fußballbegeisterten im englischen Bath vor. Bath kannte man wegen der Bäder und nicht wegen des Fußballs. Dort wurde dann als Ersatz für den Ankerverein die englische Schul-Sport-Organisation BWB gegründet.

Die Basis der Auswahl von BWB (Bath & Wiltshire School Sport Trust) bilden jedoch nicht die Nachwuchskicker von BFC, sondern mehr als 70 Schulen der genannten Regionen. Viel dreht sich bei BWB um Fußball, aber auch andere Werte werden in den Vordergrund gestellt. Die Entwicklung der Jugendlichen insgesamt zu einer gewissen Persönlichkeit ist das Anliegen von BWB. Insofern werden nicht nur Spiel-Philosophien entwickelt, sondern auch Prinzipien hochgehalten. Viele sind auch in den deutschen Spitzenclubs die Regel: „Spiele zur eigenen Freude, nicht zum Gefallen der Eltern oder Trainer“, „Achte die Regeln und stelle nie die Entscheidung der Schiedsrichter in Frage“, „Arbeite für dich und das Team“. Andere Forderungen mit Blick auf das öffentliche Auftreten sind schon etwas besonders. Aber irgendwie drückt das auch den Stolz aus, der mit der Aufnahme in das BWB-Team verbunden ist. Unter anderem erwartet man keinen Schmuck, einen passenden recht kurzen Haarschnitt, eine gewisse Kleider- und Schuhordnung.

Zur Entwicklung der Jugendlichen gehören auch Erfahrungen, die durch Reisen in das Ausland und der Teilnahme an Turnieren gewonnen werden. Seit 2014 wurden von BWB Teams folgende Länder aufgesucht: Belgien, Holland, Deutschland, Schweden, Japan, Italien und Spanien. Zur Ausbildung gehören allerdings nicht nur Fußballturniere sondern auch normale Jugendfreizeiten im Ausland. Eine Unterstützung erhält die englische Schul-Sport-Organisation in Bath bei ihren Aktivitäten auch von der Premier League.

 

 

Ist ein derartiges Modell in Neuss überhaupt denkbar? Die Vorteile eines derartigen Ansatzes liegen auf der Hand. Die Schul-Sport-Organisation könnte als Verein an den Meisterschaftspielen teilnehmen und in höhere Ligen aufsteigen. Diese Möglichkeit ist ja normalen Auswahlmannschaften verwehrt. Auf längere Sicht wäre damit sicher eine höhere Qualifizierung des Neusser Fußballs verbunden. Wenn auch die Umsetzung in Neuss kaum denkbar erscheint, sollten die Fußballinteressierten in Neuss über diesen Ansatz zumindest einmal diskutieren.

Ein weiterer Aspekt darf hierbei nicht vernachlässigt werden. Begriffe wie Verein und Heimat sind im heutigen geldorientierten Fußballgeschehen leider zu Fremdwörtern verkommen. Und die Profivereine, die diese Entwicklung kritisch sehen, stehen diesem Geschehen selbst eher machtlos gegenüber. Will man nicht untergehen, dann muss man zumindest versuchen „mit den Wölfen zu heulen“.

Beim Modell der Schul-Sport-Organisation erlebt der förderungswürdige Gedanke Verein und Heimat eine Renaissance. Aber auch hier gilt „ohne Moos nichts los“, nur in überschaubaren und vertretbaren Dimensionen.